Weltensammlerin, Reisende, Erzählerin
Sehnsucht ist die Schwester der Fantasie – Aus Nasrin Siege, Maryam Andaz: „Mandeln und Rosinen“, 2022
Mainautorin Nasrin Siege, geboren im Iran, lebte in verschiedenen afrikanischen Ländern, heute in Frankfurt am Main. Sie ist Kinder- und Jugendbuchautorin, Lyrikerin, Psychotherapeutin und Gründerin von Hilfe für Afrika e.V. Für ihre Arbeit und ihr Engagement in Kinderhilfsprojekten, das sich auch in ihren Büchern widerspiegelt, wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2022 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.
Mehr über Nasrin Siege auf ihrer Homepage www.nasrin-siege.com
1. Liebe Nasrin, wie bist du zum Schreiben gekommen?
Mit dem Erlernen der deutschen Sprache, fing ich an Geschichten und Gedichte zu schreiben. Mit dem Schreiben konnte ich das für mich Neue beschreiben, mit den neugelernten Wörtern herumspielen, und dabei vieles im Alltag Erlebte auf eine kreative und auch beglückende Weise verarbeiten und bearbeiten. So habe ich immer weitergeschrieben und bin bis heute dabeigeblieben.
2. Hast du so etwas wie ein Lebensthema?
Als Kind habe ich mich mit Rassismus und der Frage nach der eigenen Identität auseinandersetzen müssen. Ich war eine Suchende und als Suchende wurde ich später eine Reisende. Ich bereiste andere Länder, lernte andere Kulturen kennen, machte das mir zunächst Fremde vertraut. Und das möchte ich auch mit meinen Büchern: Brücken der Toleranz, der Begegnungen, des Verstehens und des Respekts füreinander aufbauen … das Fremde vertraut machen.
3. Was machst du, wenn du nicht schreibst?
Dann arbeite ich ehrenamtlich für die Projekte von Hilfe für Afrika e.V.
Und ansonsten koche ich gerne, lese, höre Musik, fotografiere …
4. Welches Erlebnis bei einer Lesung ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?
Nicht am meisten, aber eines von mehreren Erlebnissen, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Ich erzählte zwei ersten Klassen afrikanische Märchen aus „Morgen kommt die Hyäne zum Essen“ und zeigte ihnen die dazugehörigen Bilder auf der Leinwand. Ich fragte die Kinder, welche Tiere sie auf den Bildern erkennen würden. Ein Kind nach dem anderen meldete sich, kam nach vorne, zeigte auf das jeweilige Tier und nannte es bei seinem Namen.
Ein Junge meldete sich: „Ele -fant“, sagte er.
„Möchtest du uns den Elefanten zeigen?“
Er schaute weg. Hatte ich zu leise gesprochen? Ich wiederholte die Frage.
Er schaute kurz auf und schaute wieder weg.
„Er versteht kein Deutsch“, sprang ihm sein Sitznachbar zur Seite. „Er ist noch nicht lange hier.“ Dann stand er kurzentschlossen auf und hielt dem Jungen seine Hand hin. Gemeinsam bei mir angekommen, zeigte der erste Junge mit seiner freien Hand auf das Bild und sagte laut: „Elefant!“, und alle Kinder, die bisher gespannt zugeschaut hatten, klatschten. Das war sehr berührend …
5. Was ist dein Sehnsuchtsort?
Ich hoffe sehr, dass ich eines Tages in den Iran reisen kann.
6. Was wünscht du dir für die Zukunft?
Ein freies Iran.
7. Welches deiner Bücher liegt dir besonders am Herzen und warum?
Aktuell „Mama Baobab“, inspiriert von den Geschichten, Märchen und Mythen über den Baobab, die ich in den fast 30 Jahren Afrika gehört habe. Ich liebe diese Figur der weisen Mama Baobab, die schon ewig und heute beschützt, hegt, heilt und auch liebevoll-streng sein kann. Ich mag den Jungen Abedi, der sich, trotz seiner Angst vor den Hyänen, auf die Suche nach seinen Ziegen macht. Ich mag das Fantastische, das zum Träumen und Gedankenreisen anregt, und dass die Geschichte von Afrika erzählt. Und besonders mag ich die traumhaft-schönen, mit der Geschichte im wunderbaren Einklang stehenden Illustrationen von Maike Neuendorff.